Kapitän an der Lahn- Der sportliche Macher

Er hatte einen Top-Posten im Management der AOK Hessen und übernahm 2015 die im Vergleich dazu kleine Arbeiterwohlfahrt Gießen. Wie kam Jens Dapper denn auf diese Idee?

Die Ziegen sind zweifellos liebenswert. Die beiden leben auf dem Gelände des Albert-Osswald-Seniorenzentrums im Tannenweg und sind bei Besuchern und Bewohnern gleichermaßen beliebt. So weit, so schön. Aber lohnt sich der Aufwand der Tierhaltung? All die Mühe? – »Machen Sie mal. Wenn Sie es mit Ehrenamtlichen hinbekommen, ist es großartig«. Kornelia Steller-Nass, bei der AWO-Gießen zuständig für Ehrenamt und Freiwilliges soziales Jahr, bekam es hin und beschreibt mit dieser Szene, wie »der Neue« tickt.

Jens Dapper bindet die Mitarbeiter ein, überträgt Verantwortung. Außerdem sorgt er für Transparenz. Insbesondere den letzten Punkt kannten die rund 450 Mitarbeiter bisher nicht. Ein Einblick in die finanzielle Situation war unüblich. Dabei ist der gerade dann wichtig, um auch unpopuläre Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Die Arbeiterwohlfahrt als großer sozialer Dienstleister muss den Spagat schaffen zwischen Wirtschaftlichkeit einerseits und sozialem Selbstverständnis andererseits. Das ist besonders im Bereich der Altenhilfe, wo private Anbieter auf den Markt drängen und Fachkräftemangel längst Realität ist, eine Riesenaufgabe.

Und damit wären wir schon bei der Frage, was Dapper gereizt hat, vor gut zwei Jahren die Nachfolge von Werner Schäfer-Mohr anzutreten, der zuvor lange als Geschäftsführer tätig gewesen ist. »Das frage ich mich manchmal auch«, sagt der 50-Jährige und lacht. Er war Hauptabteilungsleiter der AOK Hessen und zuständig für 850 Mitarbeiter. Insgesamt zählt die Krankenkasse mit über 3500 Beschäftigten zu den größten und nach Dappers Einschätzung besten Arbeitgebern des Landes. Bei der AOK ist der Grünberger praktisch groß geworden. Nach einem dualen Studium der Sozialpädagogik und später Fortbildungen in Betriebswirtschaft kletterte er die Karriereleiter hoch und fühlte sich in dem Unternehmen immer mehr als wohl. Dass er sich dennoch für den Wechsel entschied, lag nicht zuletzt an dem Wunsch, noch einmal etwas ganz Neues anzupacken. Herausforderungen liegen ihm.

Womit ein wichtiges Lebensthema ins Spiel kommt. Dapper ist durch und durch Sportler. Er betreibt Lauf- und Krafttraining, wann immer es die Zeit zulässt, und wenn es abends um 22 Uhr ist. »Das hört sich heftig an und ist es vielleicht auch, aber das ist wertvoll für meine innere Balance«, sagt er. Außerdem engagiert er sich im Handball, derzeit trainiert er die Oberliga-Mannschaft der HSG Pohlheim. Zwischen seinen beruflichen und sportlichen Aufgaben sieht er viele Parallelen. Die Mannschaft stützen und befruchten, sie führen und Prozesse kreativ vorantreiben, das stehe hier wie dort im Mittelpunkt. Und sowohl Trainer als auch Manager haben die Aufgabe, stets den Überblick zu behalten – auch und besonders in Stresssituationen. Zudem muss sich der »Kapitän« in seine Spieler hineinversetzen können, Verständnis für sie entwickeln, sie motivieren und fordern.

Gleichzeitig muss er schauen, wohin er sein Schiff lenkt. Ruhige Fahrwasser gibt es für Sozialverbände lange nicht mehr. Das hat Dapper gewusst, als er das Steuer übernahm. Dass die Turbulenzen hinsichtlich der finanziellen Situation so heftig sein würden, hat er aber nicht geahnt. Mittlerweile ist es ihm jedoch gemeinsam mit einem erfahrenen Führungsteam gelungen, Neues auf den Weg zu bringen und Altes zu wahren. »Ich bin Generalist, mein Job ist es, die jeweiligen Spezialisten zu unterstützen«. Dapper ist ein Freund von Steuerungsdialogen und modernem Projektmanagement – sobald in allen Abteilungen Ziele formuliert waren, machte man sich daran, Strukturen zu schaffen, mit deren Hilfe diese auch erreicht werden können. Die Basis für diese Prozesse ist Kommunikation. Gespräche führen, Pläne erarbeiten und rasch umsetzen – so wünscht sich der Chef das. Dabei nutzt er selbstverständlich die Möglichkeiten der digitalen Medien und war dabei manchem im Haus anfangs zu schnell, was dem 50-Jährigen durchaus bewusst ist. Dass ihn nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die AWO-Urgesteine akzeptieren, obwohl er kein sozialdemokratisches »Gewächs« ist, rechnet er ihnen hoch an.

Dapper hat hohe Ansprüche an sich selbst, er ist extrem diszipliniert und hat sein Leben eng durchgetaktet. Arbeit, Familie, Sport – damit das alles klappt, gibt es keinen Leerlauf. »Das klingt nicht spaßig, ich weiß«, sagt er und macht dabei einen ausgesprochen fröhlichen und entspannten Eindruck. Er möchte es genau so und nicht anders. Bei Familienfeiern kommt es durchaus vor, dass er auf einmal in einer Ecke sitzt, seinen Laptop hervorholt und »mal eben« etwas arbeitet. Mehr als ein Augenrollen entlockt das Frau, Töchtern oder Freunden nicht. Sie kennen es nicht anders. »So ist er halt, der Jens«. (Quelle: Gießener Allgemeine)