Holzheimer „Urgestein“ Wilfried „Hoxi“ Schneider

Holzheimer Urgestein will längst angekündigtes Ende der Trainer-Karriere vollziehen

von Marc Steinert

HOLZHEIM – 1972 – da war Willy Brandt Bundeskanzler, in München fanden die Olympischen Spiele statt und ein 19-Jähriger Handballer aus Holzheim startete seine Trainerkarriere. Handball ist immer noch ein großer Bestandteil im Leben von Wilfried „Hoxi“ Schneider, doch heute, 45 Jahre später, sieht der 64-Jährige langsam, aber sicher der „Trainer-Rente“ entgegen. Das Amt des A-Jugend-Coachs hat er nach über zehn Jahren bereits abgegeben, eine einzige Saison wird er bei der zweiten Mannschaft seiner HSG Pohlheim noch als Betreuer auf der Bank sitzen.

„Zu Beginn meiner Trainerkarriere hatte ich mir vorgenommen, spätestens mit 50 Jahren aufzuhören. Da hab ich ja doch um einige Jahre überzogen“, antwortet Schneider lachend auf die Frage nach dem Grund des nahenden Karriereendes.

Bereits parallel zu seiner Spielerlaufbahn in der ersten Männermannschaft des TV Holzheim, einem der Stammvereine der Pohlheimer Handball-Spielgemeinschaft, startete Schneider auch als Trainer, damals zuerst bei der Frauenmannschaft des Vereins. „Die haben jemanden gebraucht, Verwandtschaft von mir hat in der Mannschaft gespielt. Wie es halt so läuft, auf einmal war ich dabei“, beschreibt der 64-Jährige seine Anfänge. „Zudem war ohnehin für mich klar, dass ich während meiner Spielerkarriere noch nicht auswärtig trainiere. Da wäre mir der zeitliche Aufwand zu groß gewesen.“

Nach dem Ende seiner aktiven Zeit sollte es dann eigentlich auch mal aus Holzheim herausgehen, doch seine erste Mannschaft hatte sich um die Weihnachtszeit von ihrem Trainer getrennt. In einer feucht-fröhlichen Silvesternacht im Hause Schwellnus war Schneider urplötzlich Trainer der „Irschten“ und blieb es für satte viereinhalb Jahre. Viermal bekleidete er insgesamt den Trainerposten beim TV Holzheim und später nach dem Zusammenschluss bei der HSG Pohlheim.

Dass Wilfried Schneider beim Handball landet, war von Anfang an sonnenklar. Von Vater Robert, der selbst ein herausragender Großfeld-Spieler seiner Zeit war, bekam er wohl einiges an Talent in die Wiege gelegt. Sohn Wilfried machte sich vor allem als kompromissloser Abwehrstratege, aber auch als Rückraumspieler einen Namen. Sein Bruder Volker, genannt „Pez“, der heute noch auf der Bank der ersten Mannschaft dabei ist, hat ebenso das Handball-Gen geerbt. Auch alle drei Kinder landeten in der Halle. Tochter Claudia hat ihre Karriere mittlerweile beendet, ist aber als Jugendwartin der HSG Pohlheim tätig, Sohn Mischa läuft für den Landesligisten HSG Lollar/Ruttershausen auf und die zweite Tochter Elena war in der Vorsaison ebenfalls in der Landesliga für den TSV Griedel aktiv. Dass sein Neffe Timm sich in der Bundesliga einen Namen gemacht hat und seit vielen Jahren für die MT Melsungen aktiv ist, dürfte auch hinlänglich bekannt sein, spricht aber ebenfalls dafür, dass der Name „Schneider“ und der Handball untrennbar miteinander verknüpft sind.

Dass es Wilfried Schneider aber nicht nur bei seinem Stammverein, sondern auch „in der Fremde“ kann, bewies er unter anderem bei der SG Rechtenbach, aber auch bei der SG Münzenberg/Gambach oder bei den TSF Heuchelheim. Mit seiner gradlinigen und zugleich sehr aufrichtigen Art kam Schneider gut an, ein Mann vieler Worte war er aber nicht. Auch fiel es ihm zu Beginn so manch neuer Traineraufgabe nicht immer leicht, die vielen Namen und Gesichter seiner Spieler in Einklang zu bringen. So musste ein „Hey, Nummer 14“ auch mal reichen. Ein wenig verwundert war dann mal Schneiders Jüngster, der verwundert antwortete: „Aber Papa, ich bin’s doch, dein Sohn.“

Als 2002 der 50. Geburtstag und damit das einstmals angedachte Karriereende näherrückte, brachte Oliver Kern, Ex-Spieler Schneiders in Heuchelheim, den Coach bei Bezirksoberliga-Aufsteiger TV Mainzlar ins Gespräch. Nichts war es mit dem Laufbahnende, satte vier Jahre trainierte Schneider den TVM und errang in seiner letzten Saison wohl eine der kuriosesten Meisterschaften der Liga-Historie. Nach zehn Partien noch punktgleich mit dem Vorletzten startete sein Team eine unfassbare Siegesserie und sicherte sich am letzten Spieltag im direkten Duell mit dem Zweiten HSG Kirch-/ Pohlgöns/Butzbach den Landesliga-Aufstieg 2006, nach 16 Siegen in Serie. Das Hessenpokal-Finale gegen den Regionalligisten SG Wallau/Massenheim gab es für Schneider als Bonbon noch obendrauf. Trotz diverser Aufstiege nennt er einen anderen Erfolg aber immer noch als seinen größten. „Es muss 1993/94 gewesen sein. Da hatten wir in der Oberliga in Holzheim eine Mannschaft beisammen, die nie und nimmer die Qualität für diese Liga hatte. Aber wir haben den Klassenerhalt geschafft. Das war für mich eine Sensation“, so Schneider.

Mit der HSG Pohlheim während der Mallorca-Abschlussfahrt zu erfahren, noch in der Relegation antreten zu müssen, zählte ebenfalls zu den spektakulären Erlebnissen einer langen Karriere. „Irgendjemand hat abgemeldet und da hieß es, ihr müsst noch einen Aufsteiger ausspielen. Wir saßen grade am Strand mit einem Bierchen in der Hand. Ich dachte, die machen Witze. Wir kamen von der Fahrt zurück, haben einmal trainiert, sind dann irgendwo ins Saarland gefahren und haben das Hinspiel mit acht oder neun Toren gewonnen. Der gegnerische Trainer hat uns für verrückt erklärt, als er davon gehört hat“, erinnert sich Schneider zurück.

Nach der Station in Mainzlar war mit mittlerweile 54 Jahren aber immer noch lange nicht Schluss mit Handball, es ging dann aber zurück zu seinem Heimatverein. Dort trainierte Schneider bis zum Ende der vergangenen Saison die A-Jugend, war zunächst auch bei der ersten Mannschaft, später auch auf der Bank der zweiten Männermannschaft dabei.

Doch das soll nun der Vergangenheit angehören. „Ich mache als Betreuer noch ein Jahr weiter, dann ist endgültig Schluss. Jan Wüst coacht wie im Vorjahr die zweite Mannschaft. Sollte er mal nicht dabei sein können, übernimmt Christian Schäfer die Trainerposition. Sollte er auf dem Feld stehen, habe ich aber angeboten, die Wechselei zu übernehmen“, berichtet Schneider über die klare Rollenverteilung in seinem letzten Jahr.

Langweilig würde es dem 64-Jährigen aber aktuell auch ohne den Trainerjob nicht werden, wie er auf Nachfrage bestätigte. Vor Kurzem erst wurde Schneider als zweiter Vorsitzender wiedergewählt und bekleidet dieses Amt noch in den nächsten beiden Jahren. Zudem ist er in Personalunion auch zuständig für die Spielplangestaltung, das Passwesen und den Dienstplan für die kommende Saison. „Das sind in anderen Vereinen Jobs für drei Mann“, muss „Hoxi“ Schneider lachen, Klagen darüber sind aber von ihm nicht zu hören. Der Handball ist eben sein Leben. Immer noch!

Quelle: Giessener Anzeiger vom 03.Juni 2017